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NAHRUNG FÜR DIE SEELE Emotionaler Hunger

Bei Liebeskummer erst mal einen Becher Eiscreme als Trostpflaster. Trostschlemmen ist ein Teufelskreis, der schwer alleine durchbrochen werden kann. Sind wir hungrig, essen wir.

Sind wir durstig, trinken wir. Was so simpel daherkommt, ist heutzutage nicht mehr so leicht. Denn anders als bei unseren frühen Vorfahren sind Essen und Trinken heute weit mehr als reine Nahrungsaufnahme. Sie können trösten und betäuben, uns beschwingen oder Leere füllen.
Der Mensch möchte heute nicht mehr nur satt werden. „Unser Essverhalten ist heutzutage nur noch zu einem bestimmten Teil durch Prozesse wie Hunger und Appetit gesteuert. Auch andere Faktoren wie Emotionen oder Stress können beeinflussen, wann und was wir essen“, sagt Dr. Julia Reichenberger.
Die Wissenschaftlerin der Paris Lodron Universität Salzburg forscht seit Jahren im Bereich Essverhalten. Ihr Schwerpunkt liegt auf Stressessen und dem sogenannten „emotionalen Essen“ – wenn die Seele hungrig ist und nicht der Magen. Wie hängen Nahrung und Gefühle zusammen? Kann Essen trösten? Klar ist: Es kann. Wir müssen nur eifrig genug trainieren.

Von klein auf gelernt

Negative Gefühle wie Trauer oder Frust sind sehr unangenehm, sodass wir sie schnell wieder loswerden wollen. Der leckere Eisbecher lenkt uns einerseits von dem unangenehmen Zustand ab. Andererseits hat er tatsächlich Einfluss auf unser Gefühlsleben – und zwar durch das Glückshormon Dopamin.
„Der Konsum von bestimmten Nahrungsmitteln aktiviert das Belohnungszentrum des Gehirns und Dopamin wird ausgeschüttet“, erklärt Dr. Reichenberger. Diese Verknüpfung zwischen Nahrungskonsum und einer guten Stimmung wird von unserem Gehirn abgespeichert. Dadurch wird es immer wahrscheinlicher, dass wir auch beim nächsten Mal wieder zum Essen greifen.
Wir programmieren uns immer mehr darauf, unseren Gefühlen mit Nahrung zu begegnen und unsere Traurigkeit wegzuschlemmen. Dieser Mechanismus ist uns übrigens bestens vertraut.

Die Wechselwirkung von Nahrung und gutem Gefühl wird schon im Baby- und Kindesalter angelegt:

Wenn das weinende Baby mit Muttermilch gestillt wird oder es sich mit einem warmen Fläschchen in den Schlaf nuckelt, sind die Anfänge gesetzt. Und auch Kinder werden gern mit einem Eis oder einem Lutscher getröstet. „In der Kindheit erlernen wir das Muster, wie mit Traurigkeit umgegangen wird“, so Reichenberger.
Und dieses Muster führen wir im Erwachsenenalter unbewusst fort und suchen Trost in Chipstüte und Eisbecher. Was kurzzeitig hilft, kann zu einer Abwärtsspirale führen. Denn wie Studien der Uni Salzburg zeigen, weisen Menschen, die versuchen, negative Emotionen durch Essen zu kompensieren, einen höheren Body-Mass-Index auf. „Hier stellt sich die Frage nach Henne und Ei, da es so sein könnte, dass Personen mit einem höheren BMI diejenigen sind, die eher bei negativen Emotionen essen“, sagt Julia Reichenberger. „In der Tat zeigen aber Studien, die Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg befragen, dass emotionales Essen im weiteren Verlauf zu einem BMI-Anstieg führt.“ Nicht umsonst sprechen wir gern von „Kummerspeck“. Für Menschen, die mit Übergewicht zu kämpfen haben, ist der Eisbecher daher ein trügerischer Helfer:

  • Er bekämpft Traurigkeit und
  • gleichzeitig entsteht ein schlechtes Gewissen oder Scham.

Und am Ende bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass der Eisbecher an der auslösenden Situation rein nichts ändert. Außer die Kiloanzeige auf der Waage.

Nicht alle essen gleich

Nicht nur Emotionen können Einfluss auf unser Essverhalten haben. Auch Stress kann dazu führen, dass wir mehr zu uns nehmen, als wir brauchen. Denn geraten wir in Stress, übernimmt dasselbe Urprogramm, das schon unsere Vorfahren im Wald vor gefährlichen Raubtieren gerettet hat.
Die Wahrnehmung unserer inneren Signale wie Hunger und Sättigung fährt herunter. Gleichzeitig übernehmen unsere Überlebensinstinkte das Steuer und verlegen all unsere Energie auf die Bewältigung des Stressors. Anschließend greifen wir dann zu Nahrungsmitteln, um uns die Energie zurückzuholen und uns wieder Erleichterung und Beruhigung zu verschaffen
Wie Dr. Reichenberger und ihre Kollegen erforschen konnten, reagiert nicht jeder unter Stress gleich. „Während eine große Mehrheit kein verändertes Essverhalten bei Stress zeigt, gibt es Menschen, die bei Stress anders essen. Es gibt auch Personen, denen Stress buchstäblich auf den Magen schlägt.
Eine einfache Erklärung, warum das bei dem einen so, bei dem anderen so ist, gibt es leider bisher noch nicht.“ Interessant ist auch, dass nicht alle Emotionen den gleichen Effekt auf unser Essverhalten haben. So konnten Julia Reichenberger und ihre Kollegen belegen, dass Ärger oder Ängstlichkeit eher dazu führen, dass wir weniger essen. Sind wir traurig, essen wir tendenziell mehr.

Jäger und Einkäufer

Beim Trostschlemmen und Stressessen kommt erschwerend hinzu, dass wir lieber zu Eis, Schokolade oder Chips greifen als zum gesunden Rohkostteller. „Denn bestimmte Situationen wie beispielsweise der Liebeskummer stellen Stressoren dar, woraufhin im Körper die sogenannte HPA-Achse aktiviert wird“, erklärt Reichenberger.
Diese Stressachse beeinflusst Hormone im Körper und versetzt uns in einen Alarmzustand. „Wir greifen daraufhin zu schnell verfügbarer Energie und belohnenden Nahrungsmitteln in Form von zucker- oder fetthaltiger Nahrung.“ Während dies bei den Neandertalern ein wichtiger Prozess war, um das Überleben zu sichern, ist dies heutzutage nicht mehr aktuell.
Und anders als bei den Neandertalern müssen wir uns unsere Dickmacher heutzutage auch nicht mehr mit Glück und Geschick erjagen. Sie warten und locken uns von überall her. Die Supermärkte sind prall gefüllt und noch bis spät abends geöffnet, die Städte sind gepflastert mit Fast-Food-Restaurants und Schnellimbissen.
„Und falls diese schon geschlossen haben sollten, findet sich dennoch eine Tankstelle, ein Automat oder ein Lieferservice“, so Reichenberger. „Einem Verlangen nach bestimmten Nahrungsmitteln nachzugehen, statt zu widerstehen, ist so einfacher geworden.“

Raus aus der Essfalle

Ein komplexes System, das sich zum Teufelskreis entwickeln kann. Essen ersetzt die Fähigkeit, mit dem eigenen Gefühl umzugehen. Sie geht sogar mehr und mehr verloren. Dazu gesellt sich oft neuer Frust durch den wiederkehrenden Disziplinverlust und eine mögliche Gewichtszunahme, der zu Frustessen führt.
Ein Kreislauf, der Seele und auch Körper schädigen kann. Denn neben seelischen Tiefpunkten, die Betroffene erleiden, kann ein länger anhaltender Überkonsum von Zucker und Fett zu Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder einer Fettleber führen. Um den Kreislauf zu durchbrechen, sieht Julia Reichenberger vor allem einen wichtigen Ansatzpunkt. Am hilfreichsten wäre es, am Anfang anzusetzen und einen funktionalen Umgang mit den eigenen Emotionen zu lernen.
Ein erster wichtiger Schritt für die Betroffenen ist hier, die Emotionen nicht nur „wegzuschlemmen“, sondern sie wahrzunehmen und darauf zu hören, welches Bedürfnis sich dahinter verbirgt. Denn hinter Traurigkeit steckt beispielsweise das Bedürfnis nach Trost, den ein Becher Eiscreme nur bedingt spenden kann.

Weitaus besser sind:

  • ein tröstendes Gespräch mit einer Freundin
  • ein Kurztrip am Wochenende
  • Tanzen zur Lieblingsmusik
  • ein ausgedehnter Kuschelabend mit der Katze auf dem Sofa

Und noch besser: Pizza, Eis und Co gar nicht erst zu kaufen. „Dann überlegt man es sich zweimal, ob man extra deswegen zum Supermarkt gehen möchte.“

Unser Tipp:

Ernährungsseminare sind ein Weg, den bewussten Umgang mit Essen zu lernen. Ihre mhplus unterstützt Sie dabei.

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